Glossar / Wissensdatenbank

Corporate Governance

Definition Corporate Governance

Der Begriff Corporate Governance umschreibt alle Verfahren, Regeln, Leitlinien und „Gesetze“, die die Führung eines Unternehmens bestimmen. Er definiert also den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen in Bezug auf Leitung und Kontrolle, also Management  des Unternehmens.

Als solches ist Corporate Governance keineswegs ein neuartiges Thema, Diskussionen über die Effizienz der Führungsorgane von großen Gesellschaften wie etwa der Aufsichtsrat (Supervisory Board) und über die Mitbestimmung zeigen seit Jahrzehnten die Relevanz dieses Codex.

Anders als bei der Unternehmensverfassung, die sich auf Regelungen im Innenverhältnis des Unternehmens bezieht, umfasst Corporate Governance auch Regelungen für die Interaktion des Unternehmens in seine Umgebung – als wichtiges Beispiel sei hier die kapitalmarktrechtliche Regulierung erwähnt.

Wachsende Wahrnehmung des Themas seit 2008 

Hinsichtlich der Regulierung „von außen“ steht bei der Corporate Governance traditionell die börsennotierte Aktiengesellschaft im Fokus, da sie für den Gesetzgeber aufgrund ihrer Größe relevanter ist.  Der sogenannte Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) stellt z.B. wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften dar „und enthält in Form von Empfehlungen und Anregungen international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung.“

Insbesondere die Globalisierung mit ihren Einflüssen ausländischer (z. B. angelsächsischer) Rechtskreise hat der Beschäftigung mit Corporate Governance diesbezüglich neuen Schub verliehen. Die internationale Finanzkrise hat in den Jahren ab 2008 das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung noch weiter nach vorn geschoben.

Zur Einordnung der Corporate Governance als selbst auferlegter Handlungsrahmen kann folgende Grafik dienen:

Artikel der EURAMCO zum Thema Corporate Governance

Quelle: https://der-prozessmanager.de/aktuell/wissensdatenbank/corporate-governance

Warum Corporate Governance?

Im Tätigwerden von Unternehmen treffen Beiträge verschiedenster Interessensgruppen aufeinander, beispielsweise Anteilseigner, Arbeitnehmer, Kunden, Zulieferer, Fremdkapitalgeber, stattliche Akteure).

Stakeholder versus Shareholder?

Die Ziele der Anteilseigner (Shareholder) eines Unternehmens zu denen der vom Handeln des Unternehmens betroffenen Interessengruppen (Stakeholder) müssen dabei nicht zwangsläufig parallel verlaufen.

Tun sie dies nicht, entstehen Konflikte und/oder Wohlfahrtsverluste sowie Verteilungsungleichgewichte. Befördert wird dies durch unvollständige Verträge. Beispiele für solche Wohlfahrtsverluste sind etwa negative externe Effekte wie zum Beispiel Umweltschäden durch Produktion.

Die Regelungen im Rahmen der Corporate Governance sollen demnach Möglichkeiten und Anreize für opportunistisches Verhalten der Akteure einschränken. Dazu müssen die möglichen Kosten opportunistischen Handelns erhöht sowie die Aufwendungen für die Regelungen bzw. für deren Einhaltung möglichst reduziert werden, damit korrektes Handeln auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

Das kann zum besseren Funktionieren der entsprechenden Märkte beitragen – gerade Akteure auf den Finanzmärkten sind auf Stabilität angewiesen und deshalb besonders an Corporate Governance interessiert. Den theoretischen Hintergrund solcher Überlegungen zur Lösung von Zielkonflikten lässt sich in der Definition des Pareto-Optimums finden: Dieses ist in einem Zustand erreicht, in dem keine Partei besser gestellt werden kann, ohne dadurch gleichzeitig eine andere Partei schlechter zu stellen.

In der Innensicht der Unternehmen fördert eine gute, geordnete Unternehmensführung funktionierende Prozesse – gerade in unruhigen Zeiten eine Grundvoraussetzung für zukunftsfähiges und damit nachhaltiges Wirtschaften. Des weiteren ist Corporate Governance unumgänglich, wenn Unternehmen ihre Verpflichtung zur Erfüllung von ESG-Kriterien ernstnehmen und konsequent umsetzen wollen – Governance ist eines dieser drei Kriterien (Environment – Social – Governance). Deshalb stellt sich nicht mehr die Frage, OB Unternehmen Corporate Covernance umsetzen sollten, sondern lediglich, WIE das sinnvollerweise geschehen kann.

Grundsätze der Corporate Governance

Die Grundsätze der Corporate Governance sind nicht in Stein gemeißelt, sondern unterscheiden sich (nicht nur) je nach Land und Branche.

Dennoch sind die Grundprinzipien (nahezu) universell einsetzbar, nämlich Transparenz, Effizienz, adäquater Umgang mit Risiken, darauf aufbauend die Optimierung von Prozessen und Arbeitsstrukturen, die Gleichbehandlung und Wahrung von Interessen der unterschiedlichen Beteiligten, und natürlich die Kontrolle der Einhaltung dieser Prinzipien.

Branchenspezifisch können weitere Grundsätze in der Unternehmensführung hinzu treten bzw. einzelne höher gewichtet werden – so ist das Management von Liquiditätsrisiken für Finanzunternehmen besonders wichtig, während etwa bei einem Energieerzeuger das Management technischer Risiken im Vordergrund stehen mag.

Da vertragliche Regelungen dieses Miteinanders wegen ihres Bezugs auf zukünftige Entwicklungen systemimmanent unvollständig sind, bedarf es darüber hinausgehender Regelungen, um das Ziel eines Interessenausgleichs und der Fairness nach allen Seiten zu gewährleisten.

Unterschied zu Compliance in der Unternehmensführung

Die Abgrenzung von Compliance, im Sinne von Rechtskonformität und Integrität verstanden, ist nicht immer einfach, denn sowohl Corporate Governance als auch Compliance werden eingesetzt um sicherzustellen, dass gesetzliche Vorschriften eingehalten werden und das Unternehmen sich integer verhält – und zwar nach innen und nach außen.

Unterschiedlich ist jedoch der Blickwinkel: Corporate Governance nähert sich dem Thema aus Sicht einer regulierenden Funktion – Governance eben. Compliance stellt auf die Mitarbeit des Unternehmens ab – das entspricht der Verwendung des Begriffes in der Medizin, wo er die Mitwirkung der Patienten an der Behandlung durch Umsetzung ärztlicher Ratschläge umschreibt.

Gestaltungsprinzipien der Corporate Governance sollen die produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung befördern. Wie auf der politischen Ebene gehören dazu auch im Unternehmen Gewaltenteilung, Transparenz, Qualifikation und Motivation zu werteorientiertem Handeln.

Gewaltenteilung verteilt Verfügungsrechte auf mehrere Akteure, reduziert somit Machtmonopole und erleichtert die Kontrolle von Macht. Transparenz ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür. Erst das Wissen um Akteure, Vorgänge und Aktionen ermöglicht Verständnis und Kontrolle. Der Abbau von Machtmonopolen soll dazu dienen, opportunistisches Verhalten zu verhindern.

Ohne Qualifikation ist eine verantwortungsbewusste, kompetente Ausführung von Leitungs- und Kontrollaufgaben nicht denkbar. Motivation für werteorientiertes Handeln ist die Grundlage dafür, dass Akteure auf opportunistische Verhaltensweisen möglichst verzichten, also ihr eigenes Wohl dem Gemeinwohl unterordnen – dies kann intrinsisch durch moralische Grundsätze oder extrinsisch durch Haftungsvorschriften und gesetzliche Regelungen samt Sanktionierungen geschehen.

Strukturen und Systeme der Corporate Governance

Zu den Strukturen der Corporate Governance zählen grundsätzlich vier Gestaltungsfelder:

  • Die Strukturen und Prozesse, die zur Erreichung der Ziele der Corporate Governance eingesetzt werden,
  • die Fortbildung, Begleitung und Evaluation von Führungskräften, um die Unternehmensführung fortwährend zu verbessern,
  • die stringente, durchlässige Unternehmenskommunikation als Voraussetzung für Transparenz und Vertrauen sowie Informationsaustausch und
  • die Festlegung und Kommunikation der primären Zielsetzung des Unternehmens als Handlungsmaxime für alle Angehörigen.

Generell darf sich Corporate Governance nicht in kleinteiligen Regelungen verzetteln und erschöpfen, da sie nie alle zukünftig auftretenden Konfliktfälle lückenlos berücksichtigen können. Deshalb bedarf es einer übergeordneten Leitmaxime und einer im gesamten Unternehmen durchgesetzten Werteorientierung, die es den Akteuren ermöglicht und sie dafür belohnt, sich eigenständig entsprechend dieser Maxime für das Wohl des Unternehmens, seiner Kunden und seiner Umwelt einzusetzen.

Das bedeutet,es müssen effiziente Rahmenbedingungen für eine nachhaltig produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung geschaffen werden. Die kurzfristige Ausrichtung alleine an den Interessen der Stake- oder gar der Shareholder kann dies nicht leisten und ist aus strategischer Sicht auch nicht geeignet, das Bestehen des Unternehmens langfristig zu sichern.

Die Systeme der Corporate Governance bestehen aus Elementen juristischer und faktischer Natur. Das sind somit gesetzliche Regelungen und anerkannte Marktgesetzmäßigkeiten, die das Unternehmen, seine Aktivitäten, seinen Handlungsrahmen und seinen wirtschaftlichen Erfolg beeinflussen.

So „bestraft“ der Kapitalmarkt regelmäßig übermäßige Risikofreude mit höheren Darlehenszinsen, ein ungünstiges Arbeitsklima mit schlechterem Standing auf dem Arbeitsmarkt (vgl.  Stichwort: Reputationsrisiko beim Risikomanagement). Je nach Branche, Größe und Standort des Unternehmens können sich die Schwerpunkte und der Regelungsbedarf sowie die Regelungssysteme unterscheiden.

Quellen der EURAMCO 

AIF
ESG-Kriterien (Environment – Social – Governance)
Regulierung und AIFM-Richtlinie
Risikomanagement

Weiterführende Links  zum Thema Corporate Governance

Begriffsdefinition 
Bildung und Management eines Ordnungsrahmens
Compliance
DCGK
Gestaltungsfelder im Ordnungsprozess
Gewaltenteilung im Unternehmen
Grundsätze
Management der Ziele verschiedener Interessensgruppen
Zielkonflikte

Stand der Informationen: Mai 2023

Informieren Sie sich über weitere Fachbegriffe in unserer Wissensdatenbank


Wir sind Mitglied bei: